Um bei der Prüfung von industriell gefertigten Teilen Fehlentscheidungen mit weitreichenden Folgen zu vermeiden, müssen die eingesetzten Mess- und Prüfmittel nachweislich für den vorgesehenen Zweck geeignet sein. Schon die ISO 9001 sieht vor, dass Organisationen „die Ressourcen bestimmen und bereitstellen [müssen], die für die Sicherstellung gültiger und zuverlässiger Überwachungs- und Messergebnisse benötigt werden, um die Konformität von Produkten und Dienstleistungen mit festgelegten Anforderungen nachzuweisen.“ Auch die IATF 16949 baut in dieser Hinsicht auf der ISO 9001 auf.

Unternehmen, die nach ISO 9001 oder IATF 16949 zertifiziert sind, müssen sich dementsprechend mit ihren Prüf- und Messmitteln und -prozessen auseinandersetzen: Messsysteme und Messprozesse müssen ausreichend beurteilt und deren Eignung für den Einsatz in der Fertigung nachgewiesen werden. Um die Vorgehensweisen zur Bestimmung der Messabweichung zu beschreiben, sind parallel mehrere Richtlinien bzw. Standards entstanden. Einer dieser Standards ist der VDA-Band 5, herausgegeben vom Verband der Automobilindustrie, der sich entsprechend primär an Unternehmen aus dem Automotive-Bereich richtet und zuletzt 2021 einer umfassenden Revision unterzogen. Dieser bietet praktische Hilfestellungen bei der Ermittlung von Messunsicherheiten.

Fehlentscheidungen vermeiden durch geeignete Prüfmittel

Aufgrund ihres regelmäßigen Einsatzes beziehungsweise durch hohen gebrauchsbedingten Verschleiß, durch Beschädigungen oder andere Einflüsse unterliegen die Prüfmittel einer zeitabhängigen Veränderung. Das hat zu Folge, dass sie ungenau werden und damit möglicherweise fehlerhafte Ergebnisse liefern – mit direkten Auswirkungen auf die Fertigungsqualität. Unter Umständen werden entweder Gutteile als Ausschuss deklariert und vernichtet oder mangelhafte Produkte an Kunden ausgeliefert, was aller Voraussicht nach mit Nacharbeit, Reklamationen oder Rückrufaktionen einhergeht.

Die während des Prüfmitteleinsatzes erfassten Messergebnisse sind wegen diverser Einflussgrößen in jedem Fall mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Die aktuelle Ausgabe des VDA-Bands 5 geht auf die zahlreichen Einflussfaktoren näher ein. Dazu gehört beispielsweise auch die prüfende Person mit ihrer Qualifikation, ihrer physischen und psychischen Konstitution und weiteren Merkmalen. Die Messunsicherheit zeigt an, ob das Prüfmittel in der Lage ist, Messwerte sicher zu bestimmen. Der VDA-Band 5 gibt hierfür einen Grenzwert vor, wobei Unternehmen ihren Zulieferern auch engere Grenzen setzen können.

An die Stelle des Messprozesses kann auch ein attributiver Bewertungsprozess treten, bei dem zum Beispiel mithilfe einer Lehre oder einer Sichtprüfung ein Bewertungsergebnis wie „In Ordnung“ oder „Nicht in Ordnung“ ermittelt wird. Die Begriffe „Messen“ und „attributives Bewerten“ wurden in der neuesten Auflage deutlicher als bisher voneinander abgegrenzt. Auch die Risiken einer attributiven Prüfung sowie das Zusammenstellen eines Prüfloses werden ausführlicher aufgriffen. Eingehend beschrieben werden auch die entsprechenden Verfahren beschrieben, was den Anwendungsbereich, das Ziel, die Durchführung sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile betrifft.

Leitfaden für das gesamte Prüfprozessmanagement

Ein komplett neuer Fokus liegt auf dem gesamten Prüfprozessmanagement, was bereits durch den Titel „Mess- und Prüfprozesse – Eignung, Planung und Management“ des VDA-Bands 5 deutlich wird. Die neue Auflage geht zum Beispiel erstmals ausführlich auf die am Prüfprozessmanagement beteiligten Personen ein: Zehn Rollen mit ihren jeweiligen Aufgaben und Kompetenzen werden beschrieben – vom „Prozesseigner Prüfprozessmanagement“ über den „Mitarbeiter Kalibrierstelle (intern oder extern)“ bis hin zum „Prozessauditor“.

Ein weiteres Unterthema des Prüfprozessmanagements ist die risikogerechte Absicherung. Bei einem Prüfprozess zum Beispiel, dessen Wahrscheinlichkeit für einen fehlerhaften Entscheid gering ist und bei dem dieser Entscheid nur zu geringen Konsequenzen führen würde, kann der Aufwand für die laufende Untersuchung der Prüfmittel reduziert und hierdurch Kosten gespart werden. Eines der möglichen Verfahren für die Risikoeinschätzung ist die FMEA.

Auch Anforderungen an die Dokumentation sind erstmals Thema: Grundsätzlich muss das Unternehmen gegenüber seinem Kunden die Eignung der Prüfmittel und -prozesse nachweisen. Da sich dieser Eignungsnachweis jeweils auf einen bestimmten Zeitpunkt bezieht, ist er kein einmaliges Prozedere: Gemäß ISO 9001 ist nämlich ebenso die fortlaufende Eignung nachzuweisen.

Prüfmittelmanagement und Kalibrierung

Auch das Prüfmittelmanagement ist Teil des Prüfprozessmanagements: Um „die Qualität, Zuverlässigkeit und Einsatzfähigkeit der Prüfmittel [zu] gewährleisten und sicher[zu]stellen“, regelt der VDA-Band 5 unter anderem die Rückverfolgbarkeit, die Kalibrierung und die Überwachung von Prüfmitteln.

Da neben den beschrieben noch viele weitere Themen und Prozesse neu aufgenommen, präzisiert oder ergänzt wurden, ist der Band in seinem Umfang deutlich gewachsen und hat zusätzlich ein Praxishandbuch mit Fallbeispielen bekommen. Dadurch bietet er nun einen durchgehenden roten Faden vom Prüfprozessmanagement über den Ablauf der Mess- und Prüfprozesseignung bis zum Nachweis der fortlaufenden Eignung.

Letztlich ist der VDA-Band 5 eine von mehreren Möglichkeiten, den Anforderungen von ISO 9001 und IATF 16949 gerecht zu werden. Alternative Normen sind beispielsweise die aus den USA stammende und ebenfalls im Automotive-Bereich verbreitete AIAG MSA. Häufig muss ein Zulieferer für viele verschiedene Unternehmen unterschiedliche Richtlinien befolgen: Wenn Organisationen Kunden aus dem deutschen und amerikanischen Raum haben, werden häufig MSA und VDA 5 gefordert. Der VDA-Band 5 greift diese Thematik auf, indem er an vielen Stellen Bezug auf andere Normen nimmt und darüber hinaus Strategien zur Harmonisierung mit MSA beschreibt. So wird die aktuelle Ausgabe des VDA-Bands 5 ihrem Anspruch als „eines der Standardwerke zur Mess- und Prüfprozesseignung“ nun noch stärker gerecht.

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